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290. Kirchliches Gesetz über die diakonische Arbeit in der Landeskirche (Diakoniegesetz)

Vom 26. November 1981

(Abl. 50 S. 415), geändert durch Kirchl. Gesetz vom 12. März 1992 (Abl. 55 S. 63) und vom 25. Oktober 2001 (Abl. 59 S. 407)

Die Landessynode hat das folgende kirchliche Gesetz beschlossen, das hiermit verkündet wird:
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§ 1
Grundbestimmung

( 1 ) Diakonie ist gelebter Glaube der christlichen Gemeinde in Wort und Tat. Der Glaube antwortet auf die Verkündigung des Evangeliums; er erwächst aus der Liebe Gottes, die in Jesus Christus allen Menschen zugewandt ist. Alle Glieder der Gemeinde sind darum zur Diakonie gerufen. Diakonie sucht den bedrängten Menschen in der Nähe und in der Ferne, um ihm zu helfen. Sie ist bestrebt, auch der Not zu begegnen, die ganze Gruppen von Menschen bedrückt, den Ursachen von Notständen nachzugehen und zu ihrer Behebung – gemeinsam mit den Betroffenen und auch mit anderen Institutionen – beizutragen.
( 2 ) Der diakonische Auftrag wird als Lebens- und Wesensäußerung der Kirche wahrgenommen
  1. von den Kirchengemeinden,
  2. von den Kirchenbezirken,
  3. von den kirchlichen Verbänden in Stadt- und Landkreisen,
  4. von den diakonischen Einrichtungen, deren Träger zur Landeskirche gehören oder mit ihr ökumenisch verbunden sind,
  5. vom Diakonischen Werk der evangelischen Kirche in Württemberg e. V.,
  6. von der Landeskirche.
Die Rechtsträger nach Nummern 1–3, 5 und 6 und ihre diakonischen Einrichtungen arbeiten untereinander zusammen und nehmen den Auftrag jeweils für ihren Bereich wahr. Im größeren Bereich sollen nur solche Aufgaben wahrgenommen werden, die im kleineren nicht oder nicht ausreichend erfüllt werden können.
( 3 ) Die Rechtsträger nach Absatz 2 sind Träger der freien Wohlfahrtspflege (freie Träger). Sie vertreten die Belange der Diakonie jeweils für ihren Bereich. Soweit sie ihre diakonische Arbeit im Stadt- oder Landkreis (§ 4) zusammengefaßt haben, nehmen sie die Aufgaben des freien Wohlfahrtsverbandes der evangelischen Kirche wahr. Ein solcher Zusammenschluß kann im Einvernehmen mit dem Diakonischen Werk der evangelischen Kirche in Württemberg e. V. die Bezeichnung „Diakonisches Werk“ verbunden mit der Angabe seines Zuständigkeitsbereiches führen.
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§ 2
Diakonische Arbeit in der Kirchengemeinde

( 1 ) Die Kirchengemeinde hat die Aufgabe, die diakonische Arbeit in ihrem Bereich anzuregen, zu fördern und sich um die erforderlichen Einrichtungen zu bemühen.
( 2 ) Zu den diakonischen Aufgaben im Bereich der Kirchengemeinde gehören insbesondere
  1. die Förderung diakonischen Bewußtseins, die Gewinnung und Begleitung von Mitarbeitern und Helfern,
  2. die häusliche Krankenpflege, die Haus- und Familienpflege, die Nachbarschaftshilfe,
  3. die diakonische Arbeit mit Kindern, Jugendlichen, Alten, Behinderten, Ausländern und anderen Gruppen,
  4. die Hilfe für notleitende Kirchen, die Durchführung von Sammlungen,
  5. die Vertretung diakonischer Anliegen der Kirchengemeinde gegenüber der bürgerlichen Gemeinde.
( 3 ) Der Wahrnehmung der diakonischen Aufgaben können insbesondere dienen
  1. Kindertagesstätten und Diakoniestationen,
  2. Diakonieausschüsse und Diakoniebeauftragte des Kirchengemeinderats (§§ 56 und 24 Abs. 5 der Kirchengemeindeordnung1# in der Fassung vom 25. Mai 1982 – Abl. 50 S. 455),
  3. Dienstgruppen und Fördergemeinschaften für einzelne Aufgaben oder Einrichtungen der Diakonie.
( 4 ) Zur Wahrnehmung der in den Absätzen 2 und 3 genannten Aufgaben können abweichend von § 56 Abs. 5 Kirchengemeindeordnung2# in die hierfür gebildeten beschließenden Ausschüsse bis zu einem Drittel ihrer Mitgliederzahl Personen gewählt werden, die nicht dem Kirchengemeinderat angehören.
Hat eine Kirchengemeinde Aufgaben nach den Absätzen 2 und 3 von anderen Kirchengemeinden übernommen, so gelten deren aus der Mitte ihrer Kirchengemeinderäte entsandten Vertreter in einem beschließenden Ausschuß der übernehmenden Kirchengemeinde als dem Kirchengemeinderat angehörend (vgl. § 56 Abs. 5 Kirchengemeindeordnung3#). Die Bestimmung gilt entsprechend bei der Übertragung von Aufgaben nach den Absätzen 2 und 3 durch einen Kirchenbezirk oder einen kirchlichen Verband.
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§ 3
Diakonische Arbeit im Kirchenbezirk

( 1 ) Der Kirchenbezirk unterstützt die ihm zugehörenden Kirchengemeinden bei der Erfüllung ihrer diakonischen Aufgaben und fördert die Zusammenarbeit benachbarter Kirchengemeinden auf diesem Gebiet. Er nimmt diejenigen Aufgaben eigenständig wahr, die die Möglichkeiten einer Kirchengemeinde oder einer Gruppe benachbarter Kirchengemeinden übersteigen.
( 2 ) Zu den eigenständigen diakonischen Aufgaben des Kirchenbezirks gehören insbesondere
  1. die Beratung und Hilfe in sozial und persönlich bedingten Not- und Problemsituationen von einzelnen, Familien und Gruppen, einschließlich der Unterstützung bei der Inanspruchnahme von sozialen Leistungen,
  2. die Durchführung von Erholungsmaßnahmen und die Vermittlung von Heimplätzen,
  3. die Anregung und Förderung der diakonischen Arbeit im Kirchenbezirk und in den Kirchengemeinden.
Hinzu kommen die in § 4 Abs. 3 genannten Aufgaben, wenn weder ein kirchlicher Verband besteht noch eine kirchenrechtliche Vereinbarung abgeschlossen wurde.
( 3 ) Die diakonischen Aufgaben werden insbesondere wahrgenommen durch
  1. den Diakonischen Bezirksausschuß,
  2. den Bezirksdiakoniepfarrer,
  3. die Diakonische Bezirksstelle.
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§ 4
Diakonische Arbeit in Stadt- und Landkreisen

( 1 ) Liegen mehrere Kirchenbezirke ganz oder teilweise im Bereich eines Stadt- oder Landkreises, so arbeiten sie bei der Wahrnehmung ihres diakonischen Auftrags zusammen.
( 2 ) Zum Zwecke der Zusammenarbeit sollen diakonische Aufgaben des Kirchenbezirks nach dem Kirchlichen Verbandsgesetz4# vom 27. November 1980 (Abl. Bd. 49 S. 277) in seiner jeweiligen Fassung auf einen kirchlichen Verband oder durch kirchenrechtliche Vereinbarung auf einen der beteiligten Kirchenbezirke übertragen werden.
( 3 ) Zu den diakonischen Aufgaben, die nach Absatz 2 übertragen werden sollen, gehören in der Regel
  1. die Koordination der vorhandenen Dienste,
  2. die Vertretung der diakonischen Anliegen der Kirchengemeinden und Kirchenbezirke in Kirche und Öffentlichkeit, in der freien Wohlfahrtspflege und gegenüber dem Stadt- oder Landkreis sowie den staatlichen und anderen öffentlichen Stellen in diesem Bereich,
  3. die Planung diakonischer Vorhaben im Stadt- oder Landkreis,
  4. die Einrichtung spezieller Beratungsdienste,
  5. die Beauftragung von Fachberatern für die diakonische Arbeit der Kirchengemeinden,
  6. die Fortbildung der Mitarbeiter.
( 4 ) Die Aufgaben eines Kirchenbezirks nach § 3 können auch vollständig auf den kirchlichen Verband oder einen der beteiligten Kirchenbezirke übertragen werden. Die Übertragung kann für ein im Landkreis liegendes Teilgebiet oder für den ganzen Kirchenbezirk erfolgen. Erfolgt sie für den ganzen Kirchenbezirk, so soll dieser einen beratenden Diakonischen Bezirksausschuß bilden. Bildet er keinen solchen Ausschuß, so bestimmt die Bezirkssynode eine Person, die anstelle der oder des Vorsitzenden des Diakonischen Bezirksausschusses nach § 16 Abs. 6 Nr. 3 Kirchenbezirksordnung5# zu den Sitzungen des Kirchenbezirksausschusses eingeladen wird und beratend teilnehmen kann.
( 5 ) Der Wahrnehmung diakonischer Aufgaben können insbesondere dienen
  1. Kreisdiakonieausschüsse,
  2. Kreisdiakoniestellen.
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§ 5
Diakonische Einrichtungen

( 1 ) Diakonische Einrichtungen nach § 1 Abs. 2 Nr. 4 nehmen in ihrem Teil den Auftrag der Kirche wahr. Die Glieder der Gemeinde sollen ihnen deshalb bei der Durchführung ihrer Aufgaben helfen.
( 2 ) Zur gemeinsamen Wahrnehmung des diakonischen Auftrags arbeiten Kirchengemeinden, Kirchenbezirke und kirchliche Verbände mit den diakonischen Einrichtungen zusammen.
( 3 ) Bei der Regelung der Zusammenarbeit sollen Absprachen darüber getroffen werden,
  1. wie die gegenseitige Unterrichtung über Zielsetzung und Stand diakonischer Arbeit, insbesondere über neue Vorhaben, sichergestellt werden kann,
  2. wie die Beteiligten sich in ihrer Arbeit gegenseitig fördern und unterstützen können,
  3. wie Einzelaufgaben untereinander verteilt und Verantwortlichkeiten festgelegt werden,
  4. wie die gegenseitige Mitwirkung in den jeweiligen Organen der beteiligten Träger geregelt werden kann.
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§ 6
Diakonisches Werk

( 1 ) Das Diakonische Werk der evangelischen Kirche in Württemberg e. V. arbeitet als selbständiges Werk im Bereich der Landeskirche und nimmt die Aufgaben nach Maßgabe seiner Satzung und der Vereinbarung mit der Landeskirche wahr.
( 2 ) Die Kirchenbezirke und die kirchlichen Verbände sind zur Mitgliedschaft im Diakonischen Werk der evangelischen Kirche in Württemberg e. V. verpflichtet. Der Oberkirchenrat ist ermächtigt, den Beitritt in deren Namen zu erklären. Die Mitgliedschaft kirchlicher Verbände, denen Kirchenbezirke anderer Landeskirchen angehören, wird in einer Vereinbarung zwischen den beteiligten Landeskirchen und Diakonischen Werken geregelt.
( 3 ) Die Vertretung der Kirchengemeinden, der Kirchenbezirke und der kirchlichen Verbände in den Organen des Diakonischen Werks der evangelischen Kirche in Württemberg e. V. richtet sich nach dessen Satzung und nach der Vereinbarung mit der Landeskirche.
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§ 7
Landeskirche

Die Landeskirche fördert und unterstützt die diakonische Arbeit in ihrem Bereich. Sie nimmt diakonische Aufgaben nur insoweit unmittelbar wahr, als sie von Trägern diakonischer Arbeit nach § 1 Abs. 2 Nr. 1–5 nicht oder nicht ausreichend erfüllt werden können.
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§ 8
Ausführungsverordnungen

Nähere Regelungen zur Ausführung dieses Gesetzes werden vom Oberkirchenrat nach § 39 Abs. 1 der Kirchenverfassung6# im Verordnungswege getroffen.
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§ 9
Diakonische Arbeit im Stadtkreis Stuttgart

Die diakonische Arbeit im Stadtkreis Stuttgart wird im Verordnungswege geregelt.
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§ 10
Schlußbestimmung

( 1 ) Dieses Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung in Kraft.
( 2 ) Entgegenstehende Bestimmungen, insbesondere die Diakonische Bezirksordnung vom 13. November 1952 (Abl. Bd. 35 S. 256) und § 2 des Kirchlichen Gesetzes betr. das Diakonische Werk der evangelischen Kirche in Württemberg vom 12. November 1969 (Abl. Bd. 43 S. 425), treten gleichzeitig außer Kraft.

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1 ↑ Red. Anm.: § 24 Abs. 5 KGO in der in § 2 Abs. 3 Nr. 2 Diakoniegesetz genannten Fassung entspricht wörtlich § 24 Abs. 7 KGO (abgedruckt unter Nr. 50 u. 51 dieser Sammlung) in der derzeit geltenden Fassung.
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2 ↑ Red. Anm.: Abgedruckt unter Nr. 50 u. 51 dieser Sammlung.
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3 ↑ Red. Anm.: Abgedruckt unter Nr. 50 u. 51 dieser Sammlung.
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4 ↑ Red. Anm.: Abgedruckt unter Nr. 65 dieser Sammlung.
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5 ↑ Red. Anm.: Abgedruckt unter Nr. 60 u. 61 dieser Sammlung.
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6 ↑ Red. Anm.: Abgedruckt unter Nr. 1 dieser Sammlung.