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Kirchengericht:Verwaltungsgericht der Evangelischen Landeskirche in Württemberg
Entscheidungsform:Beschluss
Datum:17.05.2002
Aktenzeichen:VG 05/02
Rechtsgrundlage:§ 38 Abs. 5 KVwGG; § 2 Kirchenverfassungsgesetz; Art. 140 GG, Art. 137 Abs. 3 Weim. Verf.; § 2 KVwGG; § 57 Abs. 2 Nr. 2 Württ. Pfarrergesetz; § 58 Württ. Pfarrergesetz
Vorinstanzen:keine
Schlagworte:Beachtlichkeit von Verfahrensmängeln, Besetzung des Gerichts, Eilrechtsschutz, Versetzung eines Pfarrers in den Wartestand

Leitsatz

und Beschluss des Verwaltungsgerichts
der Evangelischen Landeskirche in Württemberg
vom 17. Mai 2002

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Leitsatz:

  1. Die Mitwirkung von Mitgliedern der Landessynode bei gerichtlichen Entscheidungen ist mit der Kirchenverfassung vereinbar.
  2. Die Aufhebung eines Verwaltungsaktes kann nicht allein aus formellen Gründen verlangt werden, wenn keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können (vgl. § 46 LVwVfG a.F.).
  3. Der Oberkirchenrat ist befugt, die Versetzung eines Pfarrers in den Wartestand von Amts wegen zu betreiben; ein Antrag des Besetzungsgremiums ist nicht erforderlich.
  4. Zur Frage, wann die Stellung eines Pfarrers in der Gemeinde unhaltbar geworden ist.
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Az: VG 05/02
In der Verwaltungsrechtssache
Pfarrer ...
- Antragssteller -
prozessbevollmächtigt:
...
...
gegen
die Evangelische Landeskirche in Württemberg,
vertr. durch den Oberkirchenrat,
dieser vertr. d. d. Direktorin im Oberkirchenrat,
Frau Oberkirchenrätin Rupp,
Gänsheidestraße 4, 70184 Stuttgart
- Antragsgegnerin -
wegen
Versetzung in den Wartestand
hier: Antrag gemäß § 38 Abs. 5 KVwGG
hat das Verwaltungsgericht der Evangelischen Landeskirche in Württemberg durch
den Richter am Verwaltungsgericht Dipl.-Theol. Rainer E. Müller als Vorsitzenden
den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Dieter Eiche als Mitglied mit der Befähigung zum Richteramt
die Pfarrerin Erika Schlatter als ordiniertes Mitglied
den Pfarrer Christian Kohler als ordiniertes Mitglied
den Rechtsanwalt Dr. Dieter Deuschle als nichtordiniertes Mitglied
am 17. Mai 2002 beschlossen:
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Tenor:

Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 4.000,00 € festgesetzt.
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Gründe:

Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid des Oberkirchenrats vom 13. Dezember 2001 wiederherzustellen, dessen sofortige Vollziehung angeordnet worden war, ist gemäß § 38 Abs. 5 KVwGG zulässig, aber unbegründet.
Zunächst ist festzustellen, dass die Anordnung des Sofortvollzuges der Verfügung in formell rechtsfehlerfreier Weise erfolgt ist. Sie wurde besonders verfügt (§ 38 Abs. 2 Nr. 2 KVwGG) und das aus der Sicht des Oberkirchenrats bestehende besondere kirchliche Interesse an der sofortigen Vollziehung wurde entsprechend § 38 Abs. 3 KVwGG schriftlich begründet. Damit war dem Gericht das nach § 38 Abs. 5 KVwGG eingeräumte Ermessen zur Entscheidung über den Antrag eröffnet.
Nach § 38 Abs. 5 KVwGG kann das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs ganz oder teilweise wiederherstellen, wenn die sofortige Vollziehung des Verwaltungsaktes gemäß § 38 Abs. 2 Nr. 2 KVwGG u. a. im kirchlichen Interesse angeordnet worden ist. Bei der vom Gericht zu treffenden eigenen Ermessensentscheidung ist dabei das kirchliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes gegen das Individualinteresse des Antragstellers, zunächst von den Rechtsfolgen der Verfügung verschont zu bleiben, abzuwägen. Dabei sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs, dessen aufschiebende Wirkung wiederhergestellt werden soll, ein wesentliches Kriterium. Erweist sich der Rechtsbehelf bei der ihm vorliegenden Eilverfahren allein möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage als wahrscheinlich erfolgreich, so wird auch dem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz zu entsprechen sein. Erweist er sich hingegen als wahrscheinlich aussichtslos, so ist darüber hinaus sachlich zu prüfen, ob ein besonders kirchliches Interesse am Sofortvollzug besteht.
Nach diesen Grundsätzen ist der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage abzulehnen, da die Klage nach derzeitiger Beurteilung des Gerichts mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erfolglos bleiben dürfte und darüber hinaus ein besonderes kirchliches Interesse am Sofortvollzug der angeordneten Maßnahmen besteht.
Rechtsgrundlage für die angefochtene Maßnahme ist § 57 Abs. 2 Nr. 2 des Württ. Pfarrergesetzes - PfGes -. Danach kann ein ständiger Pfarrer ohne sein Einverständnis in den Wartestand versetzt werden, wenn seine Stellung in der Gemeinde unhaltbar geworden ist und ein gedeihliches Wirken in einer anderen Gemeinde oder in einem anderen Arbeitsbereich zunächst nicht erwartet werden kann oder die Versetzung auf eine andere Stelle aus anderen Gründen nicht möglich erscheint.
Beachtliche Fehler formeller Art, die die angefochtene Maßnahme schon deshalb - also ohne Blick auf die materielle Rechtslage - rechtswidrig erscheinen ließen, sind vorliegend nicht ersichtlich. Insbesondere war der für eine Wartestandsentscheidung zuständige Oberkirchenrat (§ 58 Abs. 4 Satz 1 PfGes) befugt, eine solche Entscheidung zu treffen. Zwar sieht § 58 Abs. 2 PfGes vor, dass die Versetzung in den Wartestand (auch) vom Besetzungsgremium beantragt werden kann, dies schließt jedoch nicht die Möglichkeit des Oberkirchenrats aus, eine solche Entscheidung bei entsprechendem Anlass und Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 57 Abs. 2 Nr. 2 PfGes auch von Amts wegen zu treffen. Letzteres ist vorliegend geschehen. Handelt es sich damit aber um eine Entscheidung des Oberkirchenrats von Amts wegen, kommt es für die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Maßnahme nicht auf die vom Antragsteller problematisierte Frage an, ob ein wirksamer Antrag des Besetzungsgremiums vorliegt; tatsächlich dürfte ein solcher nicht gestellt worden sein, insbesondere wurde anlässlich der Sitzung des Besetzungsgremiums am 13. März 2001 ein entsprechender Beschluss nicht gefasst. Die nach § 58 Abs. 1 PfGes vor der Entscheidung des Oberkirchenrats notwendige Anhörung des Besetzungsgremiums dürfte jedenfalls stattgefunden haben, nämlich dadurch, dass das Besetzungsgremium am 13. März 2001 getagt und sich mit den vorliegend maßgeblichen Fragen und Sachverhalten auseinandergesetzt sowie die Niederschrift über diese Sitzung dem Oberkirchenrat übermittelt hat.
Auch die nach § 58 Abs. 1 PfGes vorgeschriebene Anhörung des Visitators ist erfolgt. Das Gericht vermag nach Aktenlage weder in Bezug auf die Person des Visitators noch auf den Ablauf des Visitationsverfahrens, insbesondere die Abgabe des ergänzenden Visitationsberichts vom 31. Oktober 2001, einen vom Antragsteller erfolgreich zu rügenden formellen Fehler zu erkennen.
Ausreichende Anhaltspunkte für eine Befangenheit von Dekan Dr. F., der die Visitation durchgeführt hatte, liegen nicht vor. Solche lassen sich nicht bereits dem Umstand entnehmen, dass ihn mit einem der Kirchengemeinderäte, Herrn K., eine nähere Bekanntschaft verbindet. Denn diese Bekanntschaft ist nicht ausreichend für die Annahme, Dekan Dr. F. sei nicht mehr in der Lage gewesen, die Amtsführung und die Person des Antragstellers sowie die Verhältnisse in der Kirchengemeinde vorurteilsfrei und objektiv einzuschätzen. Dies gilt auch, wenn man die Beurteilung des Antragstellers teilen müsste, Herr K. sei dem Antragsteller gegenüber kritisch eingestellt.
Auch der Umstand, dass Dekan Dr. F. den ergänzenden Visitationsbericht vom 31. Oktober 2001 nicht dem Antragsteller zur Kenntnis gebracht hatte und insoweit ein formeller Verstoß gegen Nr. 26 der Ausführungsbestimmungen zur Visitationsordnung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheint, dürfte die Annahme einer Befangenheit von Dekan Dr. F. nicht zu stützen in der Lage sein. Denn nicht jeder Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder eine falsche Rechtsanwendung ist zwangsläufig oder jedenfalls in den überwiegenden Fällen Ausdruck mangelnder Objektivität.
Festzustellen ist allerdings, dass der ergänzende Visitationsbericht vom 31. Oktober 2001 dem Antragsteller nach § 58 Abs. 1 Satz 2 PfGes unverzüglich hätte mitgeteilt werden müssen. Insoweit ist von einem formellen Verfahrensfehler auszugehen. Allerdings führt nicht jeder Verfahrensfehler dazu, dass ein Verwaltungsakt im Rahmen eines vom Adressaten der Maßnahme durchgeführten Rechtsmittelverfahrens aufzuheben wäre. So verhält es sich jedenfalls im staatlichen Recht, wie beispielsweise die Regelungen über die Beachtlichkeit bzw. Heilung von Verfahrens- und Formfehlern in den §§ 45 und 46 LVwVfG zeigen, die allerdings im kirchlichen Verwaltungsverfahren nicht unmittelbar Anwendung finden (§ 2 Abs. 1 LVwVfG). Das Gericht lässt offen, ob der Rechtsgedanke des § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 LVwVfG, wonach eine erforderliche Anhörung noch bis zum Abschluss des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden kann, als allgemeiner Rechtsgrundsatz zu gelten hat und im vorliegenden Verfahren – mangels spezieller Vorschriften des Kirchenverwaltungsrechts – Anwendung finden kann; wäre es so, wäre die bis zum Erlass der angefochtenen Verfügung unterbliebene Mitteilung des Berichts an den Antragsteller möglicherweise dadurch geheilt, dass der Antragsteller bzw. sein Bevollmächtigter im Rahmen der Akteneinsicht Kenntnis von dem ergänzenden Bericht genommen haben und die Möglichkeit der Stellungnahmen hatten. Dies kann jedoch offen bleiben, da jedenfalls der Rechtsgedanke, wie er auch in § 46 LVwVfG Ausdruck gefunden hat, allgemein gültig sein dürfte, der besagt, dass die Aufhebung eines Verwaltungsakts nicht allein aus formellen Gründen verlangt werden kann, wenn der Formfehler die Entscheidung als solche offensichtlich nicht beeinflusst hat. So verhält es sich nach Auffassung des Gerichts im Hinblick auf die unterlassene Übermittlung des ergänzenden Visitationsberichts an den Antragsteller. Dieser ergänzende Bericht hatte zwar einzelne Punkte, die im Verhältnis zwischen dem Antragsteller und dem Kirchengemeinderat bzw. der Kirchengemeinde eine Rolle spielten, vertieft behandelt und näher beleuchtet, substantiell neues gegenüber den zuvor bereits umfangreich dokumentierten Konfliktpunkten enthielt der ergänzende Bericht freilich nicht. Von daher spricht alles dafür, dass der Bericht vom 31. Oktober 2001 keine wesentliche Rolle bei der Entscheidungsfindung des Oberkirchenrates gespielt hatte. Der aufgezeigte formelle Fehler dürfte deshalb unbeachtlich sein.
Die angefochtene Verfügung erscheint im übrigen auch materiell rechtmäßig. Die bereits genannten tatbestandlichen Voraussetzungen des § 57 Abs. 2 Nr. 2 PfGes dürften vorliegen.
Nach Aktenlage ist die Stellung des Antragstellers in der Gemeinde unhaltbar geworden.
In seinem Beschluss vom 5. Oktober 1994 (LKA/B-12/1994) hat sich der Landeskirchenausschuss rechtsgrundsätzlich mit der Frage auseinandergesetzt, wann davon auszugehen ist, dass die Stellung eines Pfarrers in der Gemeinde unhaltbar geworden ist. Er hat dazu Folgendes ausgeführt:
„Die Stellung eines Pfarrers in der Gemeinde ist unhaltbar geworden, wenn ein Tatbestand vorliegt, der dem Pfarrer die gedeihliche Führung des Pfarramtes in seiner Gemeinde unmöglich macht.
Gedeihliches Wirken eines Pfarrers in seiner Pfarrstelle verlangt, dass er unvoreingenommen und ohne äußeren wie inneren Vorbehalt bereit ist, seinen Auftrag zur Wortverkündung, Seelsorge und Liebestätigkeit gegenüber jedem Gemeindeglied zu erfüllen und dies durch sein Verhalten bezeugt. Ein gedeihliches Wirken des Pfarrers ist aber dann nicht mehr möglich, wenn sich die Gemeinde derart in sich entzweit, dass sie in gegnerische Gruppen zerfallen ist, deren eine sich außerstande sieht, den Dienst des Pfarrers anzunehmen und sich seinem Wirken entzieht. Kirchengemeinderat und Pfarrer sind zur Erfüllung ihrer Aufgaben aufeinander angewiesen. Die Leitung der Gemeinde ist ernsthaft gefährdet, wenn – aus welchen Gründen auch immer – die Zusammenarbeit aufhört. Ihr Fehlen bedeutet zwangsläufig eine Störung des gesamten Gemeindelebens, das mit einem gedeihlichen Wirken des Pfarrers nicht mehr vereinbar ist.
Die Frage des gedeihlichen Zusammenwirkens hat nichts mit einer Schuldfeststellung gemein.“
Der Landeskirchenausschuss setzt sich dann im Folgenden mit dem Verhältnis von Kirchengemeinderat und Pfarrer auseinander und verweist darauf, dass die Frage, inwieweit das Zerwürfnis zwischen Kirchengemeinderat und Pfarrer in die Gemeinde hineingewirkt haben muss, um die Stellung eines Pfarrers in der Gemeinde als unhaltbar zu beurteilen, von den kirchlichen Verwaltungsgerichten unterschiedlich eingeschätzt wird.
Entscheidend für den Landeskirchenausschuss sind aber die umfassenden Rechten und Pflichten und damit die Verantwortung, die das landeskirchliche Recht dem Kirchengemeinderat, dem kraft Amtes auch der Pfarrer angehört, bei der Leitung der Gemeinde und aller sie berührenden Fragen auferlegt. Das Zusammenwirken von Kirchengemeinderat und Pfarrer – wozu § 16 Abs. 2 KGO beide verpflichte – sei danach Voraussetzung für die Bewältigung aller Gemeindeaufgaben, damit aber auch für ein gedeihliches Wirken von Kirchengemeinderat und Pfarrer in der Gemeinde. Sei das Verhältnis beider zerrüttet, die Vertrauensbasis zerstört und werde die Zusammenarbeit aufgekündigt, leide zwangsweise die Gemeinde Not. Unabhängig von Ursache und Schuld, unabhängig von der Verletzung einer Fürsorgepflicht gegenüber dem Pfarrer und unabhängig davon, ob das Zerwürfnis in die Gemeinde hinein gewirkt und zu einer Spaltung der Gemeinde geführt habe, sei die Stellung des Pfarrers in der Gemeinde dann unhaltbar geworden im Sinne von § 57 Abs. 2 Nr.. 2 PfGes. Der Pfarrer müsse dann die Gemeinde verlassen. Eine Alternative bestehe grundsätzlich nicht, die Gemeinde sei nicht versetzbar.
Dieser Rechtsauffassung des Landeskirchenausschusses schließt sich das Verwaltungsgericht an. Danach ist die Stellung des Antragstellers schon deshalb in der Gemeinde unhaltbar geworden, weil offensichtlich ist, dass das Verhältnis zwischen dem Kirchengemeinderat und dem Antragsteller in hohem Maße zerrüttet war. Dies hat sich u.a. dadurch manifestiert, dass das gesamte Gremium zurückgetreten ist. Im übrigen blieb dieses Zerwürfnis auch nicht auf das Verhältnis des Antragstellers zum Kirchengemeinderat beschränkt, sondern hatte bereits Auswirkungen im Gemeindeleben, was sich wiederum darin zeigt, dass sich keine ausreichende Zahl von Kandidaten für die Neuwahl des Kirchengemeinderats im November 2001 fand und die Auseinandersetzung sich auch in Leserbriefen in der Lokalpresse und in Zeitungsartikeln niedergeschlagen hatte. Auch in den Zeitungsberichten ist im Übrigen von einem Zerwürfnis zwischen dem Antragsteller und Teilen seiner Kirchengemeinde die Rede (vgl. „Böblinger Bote“ vom 16. Oktober 2001); der Antragsteller selbst hat nach einem Bericht der „Stuttgarter Nachrichten“ vom selben Tag von „Filz in der Gemeinde“ gesprochen. Im übrigen widerspräche es auch jeglicher Lebenserfahrung, wenn man davon ausginge, dass es den Beteiligten möglich gewesen wäre, den massiven Konflikt zwischen Kirchengemeinderat und Antragsteller auf die unmittelbar Beteiligten zu beschränken.
Auch wenn man also der Meinung wäre, dass (lediglich) eine Störung des Verhältnisses des Kirchengemeinderats zum Ortspfarrer für ein Unhaltbarkeitsurteil noch nicht ausreichte, so lägen vorliegend dessen Voraussetzungen aber insoweit vor, als die Meinungsverschiedenheiten bereits in der Gemeinde Widerhall gefunden haben.
Nach allem ist davon auszugehen, dass die Stellung des Antragstellers in der Gemeinde tatsächlich unhaltbar geworden ist. An dieser Stelle soll nochmals ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass mit dieser Feststellung keinerlei Schuldzuweisung an den Antragsteller verbunden ist. Vielmehr ist die Frage nach der Quelle des Konflikts für die Beurteilung, ob ein Pfarrer in seiner Dienststellung unhaltbar geworden ist, ohne Bedeutung, ausschlaggebend ist vielmehr die objektive Erkenntnis, dass ein gedeihliches Wirken des Pfarrers in der Gemeinde nicht mehr möglich ist, mag dies auch darauf zurückzuführen sein, dass die eigentlichen Wurzeln des Konflikts in der Haltung von Gemeindegliedern zu finden sind.
Neben der Feststellung, dass der Pfarrer in seiner Gemeinde unhaltbar geworden ist, ist weitere Voraussetzung für die Versetzung in den Wartestand, dass ein gedeihliches Wirken des Pfarrers in einer anderen Gemeinde oder in einem anderen Arbeitsbereich zunächst nicht erwartet werden kann oder die Versetzung auf eine andere Stelle aus anderen Gründen nicht möglich erscheint. Auch diese Voraussetzung ist nach Aktenlage im Fall des Antragstellers gegeben.
Ein gedeihliches Wirken des Pfarrers in einer anderen Gemeinde ist nur zu erwarten, wenn eine entsprechende Bereitschaft des Pfarrers besteht. Hiervon kann derzeit beim Antragsteller nicht ausgegangen werden, hat dieser doch bereits in seinem Schreiben vom 2. Januar 2001 an Prälatin M. ausgeführt, derzeit habe er die Lust am Gemeindepfarramt verloren, er habe mit seinen bald 58 Jahren in diesem Bereich genug geleistet; er bitte deshalb die Kirchenleitung darum, ihm eine neue Lösung abseits vom Gemeindepfarramt anzubieten, die seinen oft erwiesenen speziellen Stärken gerecht werde. Damit ist derzeit ein gedeihliches Wirken in einer anderen Gemeinde nicht zu erwarten. Eine Versetzung in einen anderen, vom Gemeindedienst unabhängigen Arbeitsbereich scheitert wiederum daran, dass derzeit – wie von Seiten des Oberkirchenrats im Schriftsatz vom 14. Mai 2002 mitgeteilt wurde – im pfarramtlichen Sonderdienst keine geeignete freie Stelle vorhanden ist. Das Gericht hat keinen Anlass, an der Richtigkeit dieser Angabe zu zweifeln.
Liegen und lagen damit die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 57 Abs. 2 Nr. 2 PfGes vor, war der Oberkirchenrat befugt, eine Ermessensentscheidung über die Versetzung des Antragstellers in den Wartestand zu treffen. Ermessenserwägungen kommen in dem angefochtenen Bescheid vom 13. Dezember 2001 allerdings nur äußerst knapp zur Erwähnung. Dies macht den Bescheid jedoch nicht rechtswidrig. Denn angesichts der tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Versetzung in den Wartestand, insbesondere des Umstands, dass der Pfarrer unhaltbar in seiner Gemeinde geworden sein muss, und der Zielrichtung der Maßnahme, wieder die Voraussetzungen für ein gedeihliches Miteinander in der Gemeinde zu schaffen, ist bei der Vorschrift des § 57 Abs. 2 Nr. 2 PfGes wohl in der Regel davon auszugehen, dass bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschrift die Versetzung in den Wartestand unausweichlich und lediglich bei atypischen Sonderkonstellationen ein Absehen von dieser Maßnahme in Betracht zu ziehen ist. Zumindest aber sind im hier zu entscheidenden Fall keine Ermessensgesichtspunkte dargelegt oder sonst ersichtlich, die eine andere Entscheidung rechtfertigen könnten. Deshalb war hier dem Oberkirchenrat die Entscheidung gleichsam bereits vorgegeben, weshalb es auf die Darstellung von Ermessenserwägungen im Bescheid nicht entscheidend ankommt.
Nicht ersichtlich ist, dass die Entscheidung willkürlich ergangen wäre oder der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht beachtet worden wäre. Insbesondere ergibt sich aus den Akten, dass der Sachverhalt ausreichend ermittelt und vor Erlass des angefochtenen Bescheides durch zahlreiche Gespräche, an denen der Antragsteller, der Kirchengemeinderat, das Besetzungsgremium, der Dekan, die Prälatin und Mitglieder des Oberkirchenrats beteiligt gewesen waren, versucht worden ist, eine Beruhigung der Situation herbeizuführen und wieder ein Klima des Mit- und nicht des Gegeneinanders unter den am Konflikt Beteiligten zu schaffen. Die angefochtene Maßnahme stellt sich insoweit als ultima ratio dar, die angesichts der geschilderten Zwietracht schwerlich zu vermeiden war.
Unverhältnismäßig erscheint die Maßnahme auch nicht im Hinblick auf die Verpflichtung des Antragstellers, die Dienstwohnung räumen zu müssen. Die nunmehr bis Ende Juni 2002 bemessene Frist zur Räumung erscheint ausreichend auch im Hinblick auf die berufliche und familiäre Situation der Ehefrau. Im Übrigen wird vom Oberkirchenrat im Schreiben an den Antragsteller vom 23. April 2002 selbst eine Verlängerung der genannten Frist nicht von vorne herein ausgeschlossen.
Nach allem dürfte sich die angefochtene Verfügung im Klageverfahren als rechtmäßig erweisen. Bei dieser Sachlage besteht auch ein besonderes kirchliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der Versetzung des Antragstellers in den Wartestand. Denn die Versetzung in den Wartestand dient – wie bereits schon mehrfach dargelegt – dazu, den innerhalb einer Gemeinde bestehenden Konflikt zu entschärfen und dadurch weiteren Schaden von der Gemeinde abzuwenden. Diese Maßnahme muss damit möglichst kurzfristig wirksam werden, um möglichst schnell wieder den Frieden innerhalb der Gemeinde herzustellen und damit die Grundlage für eine gedeihliche Gemeindearbeit zu schaffen.
Nach allem war der Antrag abzulehnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 89 Abs. 1 KVwGG, die Streitwertfestsetzung auf § 97 Abs. 1 KVwGG in Verbindung mit § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.
gez. Müller
gez. Eiche
gez. Schlatter
gez. Kohler
gez. Dr. Deuschle