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Kirchengericht:Verwaltungsgericht der Evangelischen Landeskirche in Württemberg
Entscheidungsform:Beschluss
Datum:30.11.2007
Aktenzeichen:VG 08/07
Rechtsgrundlage:§ 10 PfstBG; § 2 Abs. 6 lit. a PfstBG
Vorinstanzen:keine
Schlagworte:Besetzungsgremium - Mitgliedschaft, Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache, einstweiliger Rechtsschutz, kirchenverfassungsrechtliche Streitigkeit

Leitsatz

und Beschluss des Verwaltungsgerichts
der Evangelischen Landeskirche in Württemberg
vom 30. November 2007

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Leitsatz:

  1. Eine Streitigkeit ist nicht schon dann kirchenverfassungsrechtlicher Art, wenn eine Verfassungsvorschrift anzuwenden ist; kirchenverfassungsrechtlich wird ein Streit erst dann, wenn Verfassungsorgane über die Anwendung einer Verfassungsnorm streiten.
  2. Das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache gilt auch im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach kirchlichem Recht.
  3. Die Mitgliedschaft im Besetzungsgremium endet im Falle eines Mitglieds nach § 2 Abs. 6 lit. a PfstBG mit dem Verlust des Amts als Kirchengemeinderat.
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Az: VG 08/07
In der Verwaltungsrechtssache
1. .....
- Antragstellerin Ziffer 1-
2. .....
- Antragsteller Ziffer 2 -
3. .....
- Antragstellerin Ziffer 3 -
4. .....
- Antragsteller Ziffer 4 -
5. .....
- Antragstellerin Ziffer 5 -
6. .....
- Antragsteller Ziffer 6 -
Prozessbevollmächtigt:
.....
gegen
Evangelische Landeskirche in Württemberg,
vertr. durch den Oberkirchenrat,
dieser vertr. d. d. Direktorin im Oberkirchenrat,
Frau Oberkirchenrätin Rupp,
Gänsheidestraße 4, 70184 Stuttgart
- Antragsgegnerin -
wegen
Besetzungsgremium
hier: Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Anordnung
hat das Verwaltungsgericht der Evangelischen Landeskirche in Württemberg durch
den Richter am Verwaltungsgericht i. R. Dipl.-Theol. Rainer E. Müller als Vorsitzenden
den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Dieter Eiche als Mitglied mit der Befähigung zum Richteramt
die Pfarrerin Bärbel Danner als ordiniertes Mitglied
den Pfarrer Klaus Dieterle als ordiniertes Mitglied
den Rechtsanwalt Dr. Dieter Deuschle als nichtordiniertes Mitglied
am 30. November 2007 beschlossen:
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Tenor:

Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.
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Gründe:

Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz bleibt erfolglos. Dies gilt für beide von den Antragstellern verfolgten Begehren.
Der Rechtsweg zum kirchlichen Verwaltungsgericht ist gegeben. § 9 Abs. 1 KVwGG, wonach das Verwaltungsgericht nur über Streitigkeiten nicht verfassungsrechtlicher Art entscheidet, steht dem nicht entgegen. Bedenken ergeben sich insbesondere nicht aus dem Umstand, dass in § 10 Pfarrstellenbesetzungsgesetz – PfstBG – davon die Rede ist, das u. a. der vorliegend einschlägige § 2 PfstBG eine verfassungsgesetzliche Bestimmung darstellt, zu deren Änderung die Zustimmung von mindestens zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder der Landessynode erforderlich ist. Denn eine Streitigkeit ist nicht bereits dann verfassungsrechtlicher Art, wenn eine Verfassungsvorschrift anzuwenden ist, verfassungsrechtlich wird ein Streit erst dann, wenn Verfassungsorgane über die Anwendung einer Verfassungsnorm streiten.
Mit dem Antrag Ziff. 1 soll der Antragsgegnerin untersagt werden, „nach erfolgter Amtsverpflichtung am 2.12.2007 der bei den Kirchenwahlen am 11.11.2007 neu in den Kirchengemeinderat der Stiftskirchengemeinde S. gewählten Mitglieder diese Kirchengemeinderäte anstelle der bisherigen, nicht wieder gewählten Kirchengemeinderäte als Mitglieder des Besetzungsgremiums der Pfarrerstelle Stiftkirche S. anzusehen“. Aus der von den Antragstellern gewählten Formulierung entnimmt das Gericht, dass eine solche Feststellung ausschließlich im Hinblick auf die Kirchengemeinderäte der Stiftskirche begehrt wird, nicht aber im Hinblick auf die übrigen (bisherigen) Mitglieder des Besetzungsgremiums. Der Antrag ist damit sinngemäß darauf gerichtet, dass gegenüber der Antragsgegnerin mit Bindungswirkung festgestellt wird, dass die bisherigen Kirchengemeinderäte der Stiftskirche weiterhin dem Besetzungsgremium angehören unabhängig davon, ob sie bei den Kirchenwahlen am 11.11.2007 wieder gewählt wurden.
Der so verstandene Antrag begegnet bereits im Hinblick auf seine Zulässigkeit erheblichen rechtlichen Bedenken. Denn eine einstweilige Anordnung nach § 14 KVwGG, wie sie vorliegend begehrt wird, ist ihrem Wesen nach - nicht anders als im staatlichen Recht - auf eine einstweilige, das heißt zeitlich beschränkte Maßnahme bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren gerichtet. Eine einstweilige Anordnung darf deshalb grundsätzlich nicht bereits auf eine Rechtsfolge gerichtet sein, wie sie mit einer Hauptsacheentscheidung begehrt werden könnte; es gilt im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes - von wenigen Ausnahmen abgesehen, etwa wenn auf andere Art effektiver Rechtsschutz nicht zu erlangen wäre - das so genannte Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache. Der hier maßgebliche Antrag ist aber seiner Formulierung und seinem Inhalt nach auf eine derartige Vorwegnahme gerichtet, denn im Hauptsacheverfahren, in einem Klageverfahren also, käme der identische Antrag auf Erlass der oben beschriebenen Feststellungsentscheidung in Betracht.
Nicht ersichtlich ist, dass vorliegend die Voraussetzung einer Ausnahme von dem beschriebenen Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache gegeben wäre; insbesondere könnte effektiver Rechtschutz auch auf andere Weise erlangt werden. So käme ein unmittelbares Vorgehen gegen Maß nahmen der Antragsgegnerin in Betracht, die diese - zukünftig - zur Umsetzung ihrer von den Antragstellern nicht geteilten Rechtsauffassung über die personelle Besetzung des Besetzungsgremiums ergreift.
Der Umstand, dass effektiver Rechtschutz auch im Wege eines Vorgehens gegen — bisher noch nicht erfolgte — Maßnahmen der Antragsgegnerin erlangt werden könnte, führt ferner dazu, dass die Zulässigkeit des formulierten Antrags im Hinblick auf den damit verfolgten vorbeugenden Rechtschutz fraglich erscheint. Denn Voraussetzung für die Zulässigkeit einer vorbeugenden Feststellungsklage – Entsprechendes dürfte auch für einen auf Feststellung gerichteten Eilantrag gelten – ist es, dass ein qualifiziertes, das heißt ein gerade auf die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtschutzes gerichtetes Rechtschutzinteresse besteht. Danach ist für vorbeugenden Rechtschutz kein Raum, wenn und solange der Betroffene im konkreten Fall in zumutbarer Weise auf den grundsätzlich als angemessen und ausreichend angesehenen nachträglichen Rechtschutz nach dem KVwGG verwiesen werden kann (vgl. zum staatlichen Recht BVerwG, Urt. v. 07.05.1987 - 3 C 53/85 - BVerwGE 77, 207). So dürfte es sich nach dem oben Ausgeführten auch hier verhalten.
Schließlich erscheint auch die Antragsbefugnis der Antragsteller fraglich. Denn diese verfolgen mit ihrem gerichtlichen Antrag offensichtlich nicht nur die Durchsetzung eigener, d.h. persönlicher Mitgliedschaftsrechte, also das (eigene) Recht auf Teilnahme an Sitzungen des Besetzungsgremiums und Mitwirkung an zu treffenden Entscheidungen, vielmehr machen sie ein Recht geltend, das nur dem Besetzungsgremium als solchem, nicht aber den einzelnen Mitgliedern zusteht, den Anspruch nämlich auf eine bestimmte personelle Zusammensetzung des Gremiums. Dies ergibt sich schon daraus, dass bei den Antragstellerinnen zu 1) und zu 3) die Frage einer weiteren Mitgliedschaft im Besetzungsgremium überhaupt nicht im Raume steht, denn sie wurden bei den Kirchenwahlen als Kirchengemeinderatsmitglieder der Stiftskirche wieder gewählt.
Die Frage der Zulässigkeit des Antrags Ziff. 1 kann aber letztendlich dahin stehen, denn der Antrag ist jedenfalls unbegründet. Den Antragstellern ist es nicht gelungen, den für den Erlass einer einstweiligen Anordnung notwendigen Anordnungsanspruch glaubhaft zu machen (vgl. § 14 Abs. 2 KVwGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).
Dies folgt unmittelbar aus § 2 Abs. 6 lit. a PfstBG. Danach besteht das Besetzungsgremium – neben den in § 2 Abs. 6 lit. b und c genannten Personen – aus den stimmberechtigten Mitgliedern des Kirchengemeinderats. Diese Regelung ist nach Auflassung des Gerichts eindeutig und nur so zu verstehen, dass stets die „aktuellen“ Kirchengemeinderatsmitglieder dem Besetzungsgremium angehören, die Mitgliedschaft im Besetzungsgremium also von der Innehabung des Amts eines Kirchengemeinderats oder einer Kirchengemeinderätin abhängt. Eine Regelung, wonach das einmal konstituierte Besetzungsgremium in seiner personellen Besetzung bis zum Abschluss des jeweiligen Besetzungsverfahrens konstant bleibt, ist der hier fraglichen Regelung nicht zu entnehmen. Wäre dies vom Gesetzgeber gewollt gewesen, hätte eine Formulierung etwa folgenden Inhalts nahe gelegen: „Das Besetzungsgremium wird gebildet aus …“. Eine solche Formulierung hätte möglicherweise einen Hinweis darauf geben können, dass es für die personelle Besetzung des Besetzungsgremiums stets auf die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Konstituierung des Gremiums angekommen wäre; so wurde die Norm indes nicht gefasst.
Auch die Regelung für die übrigen Mitglieder des Besetzungsgremiums in § 2 Abs. 6 lit. b und c PfstBG spricht für die hier vertretene Rechtsaufassung. Denn auch die dort genannten Vertreter des Kirchenbezirks und der Gesamtkirchengemeinde führen ihr Amt lediglich bis zur Wahl ihrer Nachfolger durch die Bezirkssynode und den Gesamtkirchengemeinderat, wie sich aus Ziff. 9 lit. b und c AVO PfstBG ergibt.
Nicht relevant für die hier zu treffende Entscheidung ist es, ob der Prälat tatsächlich die Auffassung geäußert hatte, das Besetzungsgremium bleibe in seiner Zusammensetzung konstant, denn maßgebend ist ausschließlich die gesetzliche Regelung. Dahingestellt bleiben kann auch, ob es zulässig ist, zusätzlich zu den in § 2 Abs. 6 PfstBG genannten Mitgliedern des Besetzungsgremiums weitere Personen mit vollen Mitgliedschaftsrechten in das Besetzungsgremium zu wählen, und wie sich dies gegebenenfalls auf eine dann getroffene Besetzungsentscheidung auswirkt. Denn für den konkreten Antrag Ziff. 1 maßgeblich ist allein § 2 Abs. 6 lit. a PfstBG.
Auch der Antrag Ziff. 2, mit dem der Antragsgegnerin untersagt werden soll, die Vorsitzende des Besetzungsgremiums, die Antragstellerin zu 3), durch Verfügung, Verwaltungsakt oder auf sonstigem Wege anzuweisen, zu einer weiteren Sitzung des Besetzungsgremiums der Pfarrstelle Stiftskirche Stuttgart anstelle der bisherigen Mitglieder die neu gewählten Mitglieder des Kirchengemeinderats einzuladen und deren Sitzungsteilnahme zu gestatten, bleibt erfolglos. Auch dieser Antrag ist seinem Kern nach - wie der Antrag Ziff. 1 - auf die Erhaltung der bisherigen Zusammensetzung des Besetzungsgremiums gerichtet. Die bereits oben formulierten Zulässigkeitsbedenken gelten insoweit entsprechend. Insbesondere steht auch hier die Antragsbefugnis in Frage, weil nicht ersichtlich ist, dass einem einzelnen oder auch mehreren Mitgliedern des Besetzungsgremiums als solchen ein Anspruch auf eine bestimmte Besetzung des Gremiums zustehen könnte.
Im Übrigen ist auch der formulierte Antrag, der mittelbar darauf abzielt, den neu gewählten, bisher nicht dem Besetzungsgremium angehörenden Kirchengemeinderäten und Kirchengemeinderätinnen der Stiftskirche die Teilnahme an Sitzungen des Besetzungsgremiums zu verwehren, unbegründet Denn die neu gewählten Mitglieder des Kirchengemeinderats gehören, wie bereits zu Antrag Ziff. 1 dargelegt, ab ihrer Amtseinführung gemäß § 2 Abs. 6 lit. a PfstBG dem Besetzungsgremium an und sind deshalb berechtigt und verpflichtet, an Sitzungen dieses Gremiums teilzunehmen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 89 Abs. 1 KVwGG.