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238. Kirchliche Verordnung zur
Förderung der Chancengleichheit in der
Evangelischen Landeskirche in Württemberg

vom 15. September 2025

(Abl. 71 Nr. 182)

Nach Beratung gemäß § 39 Absatz 1 Kirchenverfassungsgesetz wird verordnet:
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Präambel

In biblischer Tradition ist der Mensch Gottes Geschöpf und sein Ebenbild (Gen 1,26 f.). Dies begründet die unverlierbare Würde jedes Menschen. In der urchristlichen Verkündigung wird allen Menschen, unabhängig von Geschlecht und religiösem oder sozialem Status, das Einssein in Christus (Gal 3,28) und damit Freiheit und Ebenbürtigkeit zugesprochen.
Die Evangelische Landeskirche in Württemberg bestellt deshalb eine Beauftragte oder einen Beauftragten für Chancengleichheit, die oder der die Vielfalt und die Durchsetzung von Chancengerechtigkeit in der Evangelischen Landeskirche in Württemberg fördert und auf die Beseitigung bestehender Benachteiligungen hinwirkt.
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§ 1
Aufgaben

( 1 ) Die oder der Beauftragte für Chancengleichheit hat die Aufgabe, gesellschaftliche Entwicklungen sowie die Situation der Menschen in der Kirche zu beobachten, deren Auswirkungen zu analysieren und – soweit erforderlich – Maßnahmen im Sinne von Absatz 2 anzuregen.
( 2 ) Die oder der Beauftragte tritt für Chancengleichheit, Vielfalt und Antidiskriminierung in allen Bereichen der Landeskirche, insbesondere bei der Mitgliedschaft in Organen, Gremien, Verwaltungen, Werken und Diensten, ein und erarbeitet dazu Vorschläge und Konzeptionen.
Sie oder er
  1. nimmt Anregungen und Fragen auf, die die Chancengleichheit in der Kirche betreffen und bearbeitet sie in Zusammenarbeit mit den zuständigen kirchlichen Dienststellen;
  2. wirkt darauf hin, etwaige Benachteiligungen in Bezug auf Geschlecht und sexuelle Identität, Alter, Behinderung, rassistische Zuschreibung oder ethnische Herkunft und die Festlegung auf historisch, sozial und kulturell geprägte Geschlechterrollen in der Kirche im Blick auf Stellenbesetzungen, Arbeitsstrukturen, Laufbahnplanung und Fortbildung zu verhindern und gegebenenfalls zu beseitigen;
  3. setzt sich für die Weiterentwicklung der Regelungen für ehrenamtliche Tätigkeit ein;
  4. fördert eine geschlechtergerechte, inklusive und leicht verständliche Sprache in kirchlichen Veröffentlichungen und Medien.
( 3 ) Die oder der Beauftragte überwacht die Einhaltung der Regelungen zur Verwirklichung der Gemeinschaft aller Menschen in der Kirche. Zu diesem Zweck kann sie oder er Empfehlungen aussprechen und kirchliche Stellen beraten. Auf Anforderung der Landessynode oder des Oberkirchenrats sind Berichte und Stellungnahmen zu erstellen.
( 4 ) Die oder der Beauftragte wirkt auf eine konzeptionelle Weiterentwicklung der Arbeit für Chancengleichheit hin. Sie oder er setzt sich dafür ein, Vielfalt und Chancengleichheit als durchgängiges Leitprinzip in allen Aufgabenbereichen zu verankern und die Vereinbarkeit von Beruf, Pflege und Familie zu verbessern.
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§ 2
Person und Stellung der oder des Beauftragten für Chancengleichheit

( 1 ) Zur oder zum Beauftragten für Chancengleichheit kann nur bestellt werden, wer über die zur Erfüllung der Aufgaben erforderliche Fachkompetenz verfügt und bereit ist, den Dienst im Gehorsam gegen Jesus Christus gemäß der Ordnung der Landeskirche auszuüben. Hierauf ist die oder der Beauftragte zu verpflichten.
( 2 ) Die oder der Beauftragte ist in Ausübung ihres oder seines Amtes unabhängig und an Weisungen nicht gebunden.
( 3 ) Die oder der Beauftragte ist zur Verschwiegenheit über alle ihr oder ihm im Rahmen des Amtes bekannt gewordenen Angelegenheiten verpflichtet. Dies gilt nicht für Mitteilungen im dienstlichen Verkehr oder für Tatsachen, die offenkundig sind oder ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen. Gesetzliche Anzeigepflichten, insbesondere bei Straftaten, bleiben unberührt.
( 4 ) Die oder der Beauftragte ist berechtigt, öffentliche Erklärungen und Stellungnahmen zu Themen ihres oder seines Aufgabenbereichs abzugeben. Der Oberkirchenrat ist vorab zu unterrichten.
( 5 ) Die oder der Beauftragte untersteht der Dienstaufsicht der Direktorin oder des Direktors im Oberkirchenrat. Sie oder er ist Mitarbeiterin oder Mitarbeiter im Oberkirchenrat mit Dienstsitz in Stuttgart. Die Berufung erfolgt durch den Oberkirchenrat im Einvernehmen mit dem Beirat. Der Beirat kann geeignete Persönlichkeiten vorschlagen. Zur Erfüllung der Aufgaben können der oder dem Beauftragten weitere Mitarbeitende zugeordnet werden.
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§ 3
Beanstandungsrecht der oder des Beauftragten für Chancengleichheit

( 1 ) Stellt die oder der Beauftragte für Chancengleichheit Verstöße gegen Regelungen zur Verwirklichung von Chancengleichheit und Vielfalt in der Kirche, Diskriminierung oder sonstige Mängel in diesem Zusammenhang fest, so beanstandet sie oder er diese gegenüber den zuständigen kirchlichen Stellen und fordert zu einer Stellungnahme in einer angemessenen Frist auf.
( 2 ) Die Beanstandung kann mit Vorschlägen zur Beseitigung der festgestellten Mängel sowie zur weiteren Verwirklichung der Gemeinschaft verbunden werden. Wird der Beanstandung nicht abgeholfen, ist die oder der Beauftragte berechtigt, sich an die für die Rechtsaufsicht zuständige Stelle zu wenden und nach § 2 Absatz 4 zu verfahren.
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§ 4
Beirat

( 1 ) Der Oberkirchenrat beruft für die oder den Beauftragten für Chancengleichheit einen Beirat.
Der Beirat setzt sich wie folgt zusammen:
  • eine Vertreterin oder ein Vertreter aus dem Bereich der Kirchengemeindearbeit,
  • zwei Vertreterinnen oder Vertreter aus dem Bereich der Zielgruppenarbeit (Frauen, Männer, Seniorinnen und Senioren, Jugend),
  • eine Vertreterin oder ein Vertreter der Pfarrerschaft,
  • ein von der Landessynode aus ihrer Mitte gewähltes Mitglied und
  • eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter in der Kirche, die oder der von der Landeskirchlichen Mitarbeitervertretung gewählt wird.
Die Zusammensetzung soll die Vielfalt der Ev. Landeskirche in Württemberg widerspiegeln. Dabei ist auf eine ausgewogene Repräsentation unterschiedlicher Geschlechter, Altersgruppen, beruflicher Hintergründe, Lebensformen sowie auf die Einbindung von Menschen mit Behinderungen zu achten.
( 2 ) Für die Mitglieder des Beirats ist jeweils eine persönliche Stellvertreterin oder ein persönlicher Stellvertreter zu berufen, die oder der im Fall des Ausscheidens oder der Verhinderung an ihre Stelle tritt.
( 3 ) Die Amtszeit des Beirats entspricht der Wahlperiode der Landessynode. Eine erneute Berufung ist möglich.
( 4 ) Die Mitglieder des Beirats sind ehrenamtlich tätig. Sie haben Anspruch auf Ersatz der ihnen im Rahmen ihrer Tätigkeit entstandenen notwendigen und nachgewiesenen Auslagen und Aufwendungen. Ein Anspruch auf Vergütung für den zeitlichen oder persönlichen Einsatz besteht nicht.
( 5 ) Der Beirat wählt aus seiner Mitte eine Vorsitzende oder einen Vorsitzenden sowie eine stellvertretende Vorsitzende oder einen stellvertretenden Vorsitzenden.
( 6 ) Die oder der Beauftragte für Chancengleichheit nimmt beratend an den Sitzungen des Beirats teil.
( 7 ) Die Geschäfte des Beirates führt die oder der Beauftragte für Chancengleichheit.
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§ 5
Aufgaben des Beirats

( 1 ) Der Beirat hat folgende Aufgaben:
  1. Beratung der oder des Beauftragten für Chancengleichheit in fachlichen und strategischen Fragen,
  2. Entgegennahme und Erörterung des Arbeitsberichts der oder des Beauftragten,
  3. Anregungen und Vorschläge für den Dienst der oder des Beauftragten sowie für die Verwirklichung von Chancengleichheit,
  4. Unterbreitung von Vorschlägen für die Besetzung der Stelle der oder des Beauftragten,
  5. Erteilung des Einvernehmens bei der Berufung der oder des Beauftragten.
( 2 ) Der Oberkirchenrat kann dem Beirat in Abstimmung mit der oder dem Beauftragten für Chancengleichheit weitere Aufgaben zuweisen.
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§ 6
Zusammenarbeit

( 1 ) Die oder der Beauftragte für Chancengleichheit führt die Aufgaben (§ 1) in Zusammenarbeit mit dem Beirat, dem Oberkirchenrat und den sonstigen landeskirchlichen Dienststellen durch.
( 2 ) Bei Bedarf, jedoch mindestens einmal jährlich, finden Gespräche mit der oder des Beauftragten für Chancengleichheit mit dem Oberkirchenrat und dem jeweils zuständigen Ausschuss der Landessynode statt. Zudem berichtet die oder der Beauftragte für Chancengleichheit der Landessynode regelmäßig, mindestens jedoch einmal jährlich, über ihre oder seine Arbeit.
( 3 ) Zwischen der Direktorin oder dem Direktor im Oberkirchenrat und dem Beirat finden regelmäßig, mindestens jedoch einmal jährlich, Gespräche statt.
( 4 ) Landeskirchliche Dienststellen sind verpflichtet, die Beauftragte oder den Beauftragten bei der Erfüllung der Aufgaben zu unterstützen. Im Rahmen des Auftrags ist ihr oder ihm Auskunft zu geben und Akteneinsicht zu gewähren. Personalakten dürfen nur mit schriftlicher Zustimmung der betroffenen Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter eingesehen werden.
( 5 ) Die oder der Beauftragte ist in Entscheidungsprozesse in angemessener Weise einzubeziehen, etwa bei grundlegenden Entscheidungen und beabsichtigten öffentlichen Erklärungen, die den Aufgabenbereich der oder des Beauftragten betreffen.
( 6 ) Die oder der Beauftragte kann an Personalauswahlverfahren und Bewerbungsgesprächen im Oberkirchenrat teilnehmen. Die Rechte der Mitarbeitervertretung bleiben hiervon unberührt.
( 7 ) Die oder der Beauftragte unterhält regelmäßige Kontakte unter anderem zu:
  • der Arbeitsrechtlichen Kommission,
  • den Landeskirchlichen Mitarbeitervertretungen,
  • der Pfarrervertretung,
  • Berufsverbänden sowie
  • Landeskirchlichen Werken und Einrichtungen.
Darüber hinaus soll die oder der Beauftragte nach Möglichkeit auch Kontakte zu Beauftragten für Chancengleichheit, Gleichstellungs- oder Frauenbeauftragten der Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland, der Evangelischen Kirche in Deutschland, staatlichen und kommunalen Beauftragten für Chancengleichheit, Gleichstellungs- oder Frauenbeauftragten und im Einzelfall zu den örtlichen Mitarbeitervertretungen unterhalten.
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§ 7
Geschlechtergerechte Sprache

Personen- und Funktionsbezeichnungen in dieser Verordnung sind unabhängig vom Geschlecht der Bezeichneten.
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§ 8
Inkrafttreten, Außerkrafttreten

( 1 ) Diese Verordnung tritt am 1. Dezember 2025 in Kraft.
( 2 ) Gleichzeitig tritt die Kirchliche Verordnung über die Beauftragte oder den Beauftragten für Chancengleichheit von Frauen und Männern der Evangelischen Landeskirche in Württemberg vom 15. März 2007 (Abl. 62 S. 362), die durch Kirchliche Verordnung vom 16. Oktober 2007 (Abl. 62 S. 608) geändert worden ist, außer Kraft.